Kanada 1994

Wanderungen - West Coast Trail u.a.

 

 

 
Prolog:



August 1994: Wir hatten gerade ein Haus gekauft, egal der Flug war schon vorher gebucht. Also ging es zu meinem Onkel nach Calgary. Erst Mal die Verwandschaft kennenlernen. Leider hatten die gar keinen Sinn für ihr tolles Land. Man versuchte weiter zu kommen, Money zu machen. Zwei meiner Cousinen arbeiteten bei Oil-Companys, die den Ölsand in Alberta abbauen. So ziemlich das schlimmste was man dem Planeten antun kann. Die Steigerung, Fracking, gab`s damal noch nicht.
 
  Mein Onkel war Metzger, er hatte sich auf die Mast von Rindern und zunächst die Schlachtung nach kosherer Art , später dann Halal-Schlachtungen spezialisiert. Aufgrund der vielen Einwanderer aus dem Nahen Osten ein riesen Markt. Die Schafe und Ziegen kaufte er zu, die waren zwar eigentlich nicht Halal, aber da hieß es von seiner Frau: "das merken die Deppen doch nicht, sie müssen nur daran glauben."  
  Später konvertierte mein Onkel zum muslimischen Glauben. Er stieg sogar in irgendeinen Rang auf, so dass er selbst halal Schlachten durfte. Eine ziemlich grausame Angelgenheit, da die Rinder an den Hinterbeinen hochgezogen wurden, während sie mit aufgeschlitzem Hals über einem Fass ausbluteten. Er amüsierte sich über die heftig zappelnden Rinder und wie sie sich wehrten.
Wer würde das nicht tun, wenn ihm unbetäubt die Kehle aufgeschlitzt werden würde.

Er erzählte mir auch gleich von der Verschwörung gegen die Muslime und dass sie alle unterdrückt werden. Früher war er noch in der SPD und in der Gewerkschaft und der Überzeugung die Industriellen würden ihn unterdrücken.
 
  Also erst Mal raus aus der Stadt und ihen endlosen Mals. Die eine Woche Familienbesuch hatte uns gereicht, und jeden Abend Junkgfood vom Lieferservice auch. Alles war schon sehr american way of live, wir dachten die Kanadier hätten noch ein bisschen europäische Kultur bewahrt. Vor der Tür lag der Banff Nationalpark, 60km und man ist in einer anderen Welt.  
  Ausrüstung:



Wir hatten uns für Wanderungen durch die Wildniss ziemlich aufgerüstet. 90Liter Rucksäcke, Zelt, Kocher, Lebensmittel für 1 Woche, das komplette Survival-Kit am Buckel. Für uns eine Spielwiese, für manch andere Teilnehmer das Limit, was man sich zumuten will. Damals schleppte ich sogar noch ein Stativ mit.

Sehr bewehrt hatte sich auch ein Poncho, den man bei strömenden Regen über Mann/Frau und Rucksack ziehen kann, ohne dass einem das Wasser zwischen Buckel und Rucksack läuft. Vancouver-Island ist üblicherweise eine sehr regnerische und neblige Ecke.
 
  Zunächst wurden ein paar kleiner Wanderungen durch die Nationalparks ausprobiert, um sich an das Gewicht des Rucksackes zu gewöhnen. Wir kamen eigentlich ziemlich untrainiert an, denn der Sommer hatte aus Renovierungs- oder besser Abrissarbeiten unseres Hauses bestanden. Je mehr man im Rucksack hat, desto breiter sollte der Hüftgurt sein. Das Gewicht wird auf den Hüften getragen, nicht auf den Schultern.

 
  Der Rest der Crew stattete sich in Calgary erst Mal mit allem notwendigen aus. Für 4 von 6 war es die erste Tour solcher Art. Sie waren begeistert von den Bildern unserer Touren und wollten so etwas auch Mal machen. In Canada gab es riesige Outdoor-Geschäfte, die waren uns um min. 10 Jahre voraus. Lecker fanden wir z.B. das Pancacke-Pulver. Perfekt für ein Frühstück, Wasser dazu, fertig.

 
 
West Coast Trail:

Unser aller Traum war der West-Coast-Trail auf Vancouver Island. Wir hatten ein Jahr zuvor für alle 6 Teilnehmer ein Permit (damals 25 DM) beantragt. Denn mehr als 25 Personen durften pro Tag im Norden der Insel nicht starten. Am Eingang zum Park bekommt man dann noch eine wasserfeste Karte und eine Tabelle mit Ebbe und Flut. Dann geht es los.
 
  Die größte Herausforderung ist wohl das hohe Rucksachgewicht über die vielne Hindernisse zu bringen. Leitern, Baumstämme, Bäche, kleine Loren mit denen man sich selbst über die Flüsse ziehen muss und einige seilgesicherten Klippen oder Matschrampen.  Es gibt immer wieder glitschige Bäume auf deren abgeflachter Oberseite man entlanglaufen muss. Nicht jedermans Sache.  
  Die Ansichten über die richtige Verpflegung für 7 Tage, denn solange dauert die ganze Tour, waren sehr unterschiedlich. Der Eine trug einen Ring Stadtwurst, die natürlich am dritten Tag aufgegessen war. Die anderen kiloweise Mehl, Zucker und Trockenfleisch. Wir blieben bei Nudeln mit Instant-Sauce. Wie sich zeigte die besste Wahl. Da in den USA und Canada sog. "convinience" - also Wasser dazu und ab in die Microwelle - der normale Kochstandart ist, gibt es viele Aufbackmahlzeiten, auch für den Outdoorbereich. Es gibt sogar fertige Spiegeleier, die man nur noch aufwärmen muss.  
  Kurz vor dem Start in Port Renfrew kann man sich im hiesigen Burgerrestaurant noch Mal den Bauch vollhauen, bevor dann 7 Tage darben angesagt ist. Ab dann muss man sich einteilen, was man denn genau an welchem Tag essen möchte. Ich schleppte für die Halbzeit sogar einen Liter Wein in einer Weithalsflasche mit. Die ist dann aber auch sehr gut angekommen.  
  So ziemlich auf der halben Strecke steht eine Imbissbude am Strand. Wir waren sichtlich enttäuscht und gingen einfach daran vorbei, sonst hätten wir alles bis hierhin umsonst geschleppt. Nur eine konnte nicht wiederstehen und gönnte sich eine Coke. Heute würden wir das auch tun, die Verbissenheit der jungen wilden Jahre ist der Erkenntnis gewichen, dass man sich immer etwas gönnen sollte, wenn es denn etwas gibt.



 
  Die vielen Überzeugungstäter denen man so auf Reisen begeht, die sich unbedingt etwas beweisen müssen, wir bewundern sie, insgeheim tun sie uns aber leid. Warum soll man z.B. die Panamerica tausende von Kilometern in die falsche Richtung fahren - gegen den Wind - nur um nicht Mainstream zu sein? Es wird nicht besser, nur anstrengender und eigentlich ist man ein Idiot und kein Held.

Mittlerweile soll es auf der halben Strecke sogar einen "Einstieg" in die Tour geben.
 
  Der West-Coast-Trail ist landschaftlich ein absoluter Übertraum. Man läuft durch borealen Urwald und, wenn es die Flut zulässt, an der traumhaften  Küste. Mit den Zeiten darf man sich nicht verschätzen, denn die Strände liegen voller Treibholz oder riesigen Kieselsteinen.

Man sieht Orkas, Robben, viel Wild, aber leider sahen wir keinen Puma. Es gibt Leute, die "rennen" den WCT in drei Tagen, damit sie nicht so viel tragen müssen, aber jede Nacht im Zelt in dieser tollen Küstenlandschaft ist unbezahlbar.
 
  An der Küste probierte ich mein Angelglück, für ein üppiges Mahl reichte es nicht, aber zum schönen Zeitvertreib am Abend. Die Muscheln darf man wegen Salmonellen-Gefahr nicht essen - überall stehen Schilder. An einigen Stellen kann man unter natürlichen Wasserfällen duschen, direkt am Strand - traumhaft.
Es empfielt sich Badesachen mitzunehmen.

Letzendlich kamen wir nach exakt sieben Tagen ein bisschen ausgelaugt aber überglücklich an. Und am wichtigsten: unverletzt. Denn nicht wenige erlitten damals schwere Verletzungen und mussten evakuiert werden. Der Trail ist zwar eine Spielwiese aber kein Spielplatz.
 
  Wir mussten einige Male umkehren und uns eine leichter Alternative landeinwärts suchen, wenn die Hindernisse an der Küste mit Gepäck zu gefährlich wurden.

Nach dem WCT liefen wir noch einige zwei- und dreitägige Wanderungen beim Mount Robson, dem Garibaldi Provincial Park. Da es häufig Bären gibt, haben wir uns mit Glöckchen, Pfefferspray und der Bärenabwehrpresslufttröte eingedeckt. Alle Bären waren aber gar nicht an uns interessiert.
 
  Zum Schluss hingen wir noch eine Woche Kanufahren im Wells Grey Provincial Park. Man bekommt vom Ranger eine Karte mit den eingezeichneten Campingplätzen. Vom Wasser aus erkennt man sie an den bunten Bojen. Das ist dann wirklich tolles Wildnissfeeling. Man kann tagelang alleine in dem Seengebiet umherfahren. Von See zu See sind es meist nur 1/2 oder 1m Höhenunterschied die man das Kanu dann tragen muss. Runterwärts kann man natürlich fahren.  
  Die Tätigkeit als Ranger wird übrigens von der Regierung nach einem sehr strengen Ausschreibungssystem an den meistbietenden oder besser gesagt, billigsten Anbieter ausgeschrieben. Man kann sich melden, muss angeben,  was man alles kann, und was man für seine Leistungen bezahlt haben möchte. Der Ranger vor Ort hatte den Zuschlag für 5 Jahre bekommen. Fünf Jahre alleine in einer Rangerhütte, nur ein Boot zur Außenwelt und ab und zu Mal ein paar Studenten die für Reperaturmaßnahmen zur Unterstützung kommen.  
   
  Würde ich in Canada leben, ich hätte mich vermutlich  für 2 Jahre gemeldet. So hat`s bei uns gerade mal zum Wegewart gereicht.